Molekulare Bioökonomie
Die Abteilung Molekulare Bioökonomie optimiert Enzyme im Sinne einer nachhaltigen Bioökonomie und entwickelt Methoden zur Generierung verbesserter Varianten für die chemische oder pharmazeutischen Synthese. Wir sind Experten in der Methodenentwicklung, mit der Ligase-unabhängigen Klonierungsmethode PLICing, den Mutagenesetechnologien SeSaM - Sequenz-Sättigungsmutagenese und OmniChange - gleichzeitige Sättigung von bis zu fünf Codons, der Rekombinationsmethode PTRec, sowie Expressionswerkzeugen wie der Promotor-Toolbox und P-LINK - zur Generierung von Multikomponenten-Fusionsproteinen mit variabler Linker-Länge als Schlüsseltechnologien.
Die entwickelten Strategien der Abteilung Molekulare Bioökonomie tragen entscheidend zur Kernexpertise des Instituts bei. Unser Ziel ist die Entwicklung von Vielfalts-Generierungsmethoden, die ausreichend leistungsstark sind um eine Anzahl von Varianten zu generieren, die die theoretische Diversität der generierten Bibliothek abbildet. Hierdurch wurde erreicht, dass die Vielfalts-Generierung innerhalb einer Gelenkten Evolutions-Kampagne nicht länger den limitierenden Schritt darstellt.
Kürzlich entwickelten wir mit KnowVolution eine hocheffiziente Protein Engineering-Strategie, die anhand von sechs Proteinevolutions-Kampagnen validiert wurde. Mittels KnowVolution1 wurden verbesserte Varianten einer Glucose-Oxidase2 für Anwendungen in der Diabetes-Diagnostik, einer Phytase3 für Tiernahrungszusätze sowie einer Protease4 für Waschmittel-Anwendungen generiert. In drei dieser Fälle wurden verbesserte Varianten durch industrielle Partner erfolgreich kommerzialisiert und ein weiteres Enzym befindet sich im upscaling. Die KnowVolution-Strategie minimiert den Zeit- und Durchmusterungs-Aufwand und ermöglich ein molekulares Verständnis von Biokatalysatoren an jeder mutierten Possition. Zusammenfassend stellt die in Abb. 1 dargestellte KnowVolution Strategie einen substantiellen Fortschritt im Protein Engineering dar.
Abbildung 1:
KnowVolution wird in vier Phasen unterteilt: I. Identifizierung potentiell vorteilhafter Positionen, II. Ermittlung vorteilhafter Aminosäure-Austausche an Positionen aus I., III. Strukturelle Analyse, ob Austausche aus II. interagieren könnten, was als Kooperation bezeichnet, und IV. Rekombination vorteilhafter Positionsaustausche abhängig von der Analyse aus III., um Verbesserungen zu maximieren.
In der Abteilung Molekulare Bioökonomie setzen wir die entwickelten Schlüsseltechnologien und Strategien ein, um maßgeschneiderte Enzyme herzustellen. Der Fokus liegt hierbei auf Monooxygenasen und Phytasen.
Weitere Enzymklassen, die wir erfolgreich bearbeitet haben, umfassen Oxidoreduktasen wie zum Beispiel Alkohol-Dehydrogenasen oder Carbonyl-Reduktase, Oxidasen wie Glukose-Oxidase, Lipasen für Polymer-Synthese oder Polymer-Degradation, Proteasen für Waschmittel-Anwendungen, Glykosyltransferasen für die Synthese von Nukleotid-Zuckern als Pharmazeutika, Cutinasen zur Etablierung einer Sekretionssignal-Bibliothek, Polymerasen für Rekombinationsmethoden, und Dioxygenasen innerhalb der Safran-Biosynthese.
Highlights im Bereich der Monooxygenase-Forschung beinhalten eine auf Durchflusszytometrie basierende Ganzzell-Ultrahochdurchsatz-Durchmusterungsplattform für P450 Monooxygenasen, verbesserte BM3-Eigenschaften, zum Beispiel Lösemittelresistenz, invertierte Selektivität, erweiterte Substratspektren, zum Beispiel monosubstituierte Aromaten innerhalb des EU-OXYGREEN-Projekts, sowie komplett neue Konzepte für Ganzzell-Hydroxylierungen wie die Doppeloxidation kurzkettiger Alkane und Cycloalkane mit gekoppelter Kofaktor-Regeneration und innovative Lösungen zur Verbesserung der Substrataufnahme ganzer Zellen für die effiziente Oxygenierung von Aromaten.
Weitere Kernkompetenzen der MolBio-Abteilung sind Ganzzell-Katalysatoren, in denen der Stofftransport über die Zell-Membran nicht mehr limitierend ist.
Das Prinzip des Protein Engineerings in bewegten Bildern - erläutert am Beispiel der EU-Projekte ROBOX und OXYtrain
Gerichtete Evolution von Phytase für effizienteres und umweltschonendes Tierfutter
Außerdem beschäftigen wir uns mit der Rückgewinnung von Phosphat aus verschiedenen biologischen Rohstoffquellen, unter anderem Zuckerrüben und Raps. Dabei verwenden wir die Gelenkte Evolution, um Enzyme für ihre Anwendung in einer nachhaltigen Bioökonomie zu optimieren. Hauptsächlich finden hierbei Phytasen Anwendung, welche eingesetzt werden, um Phosphat aus verschiedenen landwirtschaftlichen Abfallströme zurück zu gewinnen. Ziel dabei ist neben einer effizienten Phosphatrückgewinnung die Herstellung von valorisierten Zusatzstoffen für die Futtermittelindustrie sowie die Produktion hochwertiger Pflanzenmetabolite.
Die effiziente Phosphatrückgewinnung hat das Potenzial circa 30% des Düngemittelbedarfs an Phosphat in Deutschland zu decken. Ziel ist es das Phosphat aus pflanzlichen Reststoffen zu gewinnen und in industriell verwertbares Polyphosphat umzuwandeln. Dabei werden Phytasen verwendet, um das in organischer Form gebundene Phosphat, hauptsächlich Phytat in Ölsamen, aus dem Pflanzenmaterial zu isolieren. Anschließend wandeln speziell entwickelte Mikroben das gelöste Phosphat in Polyphosphat um. Das entstandene Polyphosphat kann dann erneut in industriellen Prozessen eingesetzt werden.
Die MolBio-Abteilung besteht aus einem interdisziplinären Team von Wissenschaftlern, welches sich aus Molekularbiologen, Biochemikern, Biotechnologen, Chemikern und Prozessingenieuren zusammensetzt. Zudem steht die MolBio-Gruppe in engem Kontakt zu anderen Bioökonomen um die Wertschöpfungskette zu vervollständigen bzw. auszubauen und hat gleichzeitig großes Interesse an der Generierung völlig neuerartiger Wertschöpfungsketten und Produktionsprozesse. Die MolBio-Gruppe befindet sich im Sammelbau Biologie II an der RWTH Aachen University.
1 Cheng, F., Zhu, L., Schwaneberg, U. Chem Comm. 2015, doi: 10.1039/C5CC01594D, review.
2 Arango Gutierreza, E., Meier,T., Duefel, H., Mundhada, H., Bocola, M., Schwaneberg, U. Biosensors and Bioelectronics, 2013, 50, 84-90.
3 Shivange, A.V., Serwe, A., Dennig, A., Roccatano, D., Haefner, S., Schwaneberg, U. Appl. Microbiol. Biotechnol., 2012, 95, 405-418.
4 Martinez, R., Jakob, F., Tu, R., Siegert, P., Maurer, K.H., Schwaneberg U. Biotechnol. Bioeng. 2013, 110, 711-720.